Sie werden als Rettungswagen solo in ein Mehrfamilienhaus ins Erdgeschoss gerufen. Der Patient sitzt vor ihnen, ist kaltschweißig und bekommt schlecht Luft. Er berichtet, dass er am Vortag eine ähnliche Episode gehabt habe, aber diese von alleine wieder weggegangen sei. Jetzt habe er die Beschwerden schon seit fast einer Stunde und es wird immer schlimmer. Es fing beide Male mit einem leichten ziehen im Brustkorb an.
Sie schreiben ein 12-Kanal-EKG und sehen folgendes:
Kommen wir nun zur Auflösung
Schonmal kurz vorweg: EKG-Diagnostik ist ein riesiges Feld und ich lerne jeden Tag etwas dazu. Falls sich mal ein Fehler eingeschlichen hat, seit nicht zu hart mit mir :D
Bei Ergänzungen und weiteren Ideen, hinterlasst einfach unten einen Kommentar.
Schauen wir uns nun als erstes Mal den Rhythmus an. Es sind keine P-Wellen zu erkennen, die QRS-Komplexe sind schmal und regelmäßig. Die Herzfrequenz in ungefähr bei 50/min. Es handelt sich hierbei um einen Rhythmus aus dem Bereich des AV-Knoten oder oberen His-Bündel. Diesen nennt man Junctionalen Ersatzrhythmus.
Ursachen für einen solchen Rhythmus kann ein Sinusarrest sein. Der AV-Knoten dient als sekundäres Ersatzzentrum. Da die Erregung ab diesem Punkt das ganz normale Reizweiterleitungssystem nutzt, sind die QRS-Komplexe nicht verbreitert oder verändert, außer es liegt schon vorher ein Schenkel- oder Faszikelblock vor.
Eine weitere Ursache kann sein, dass der Sinusknoten eine niedrigerer Eigenfrequenz als der AV-Knoten und dieser somit die Erregungsbildung übernimmt.
Es sind ST-Strecken-Senkungen in den Ableitungen I, aVL sowie über der Brustwand, am deutlichsten in V2 und V3 sichtbar. Bei näherem hinsehen, kann man dezente ST-Strecken-Hebungen in den inferioren Ableitungen: II, III und aVF sehen. Diese sind in der Vergrößerung deutlicher zu sehen:
Als frühes Zeichen eines inferioren Infarktes zeigen sich häufig reziproke ST-Strecken-Senkungen in den lateralen Ableitungen. Diese sind in aVL häufig deutlicher, da diese Ableitung nahezu spiegelbildlich zu den Hebungen der inferioren Ableitungen steht.
Die Ableitungen V1, V2 und V3 zeigen horizontale Senkungen mit einem positiven T in V3. Wenn man das EKG auf den Kopf dreht, entspricht dies den Ableitungen V7-9.
Diese Senkungen stellen spiegelbildlich Hebungen der posterioren Hinterwand dar und können durch das Umkleben der Elektroden auf den Rücken bestätigt werden.
Nun erkennt man auch hier ST-Strecken-Hebungen. Das Arreal des Infarktes liegt inferoposterior, betrifft also die Hinter- und Unterwand des Herzens.
Es handelt sich bei diesem EKG also um einen Junctionalen Ersatzrhythmus und einen inferoposterioren STEMI.
Der Patient wurde nach leitliniengerechter Therapie direkt ins Herzkatheterlabor gebracht. Dort wurde eine schwere 3-Gefäß-KHK festgestellt, mit einer hochgradigen LCX-Stenose und der Patient wurde zur Bypass-OP vorbereitet.
Der Befund hatte mich damals etwas verwundert. Bin zuerst davon ausgegangen, dass die RCA hier das betroffenen Gefäß ist. Vielleicht hat es sich hierbei um eine dominate RCx gehandelt.
Da in den lateralen Ableitungen keine ST-Hebungen zusehen sind, war es vermutlich ein peripherer Verschluss.
Die Stenosen waren wohl vor allem an den Gefäßabzweigungen. Es könnte sein, dass es an der RCx-Stenose zu einer Plaque-Ruptur mit thrombotischen Auflagerung kam. Dadurch kam es zur peripheren Embolie.
Ein hochgradiger Verschluss der RCX aber peripher?! Deshalb auch Bypass OP?!