Sie werden als Rettungswagen gemeinsam mit dem Notarzt in eine Hausarztpraxis gerufen. Dort sitzt eine 61 jährige Frau mit ihrem Ehemann und berichtet, dass sie seit gestern ein Herzstolpern spürt. Ihr sei aufgefallen, dass sie beim Treppensteigern schnell aus der puste sei. Brustschmerzen, Übelkeit oder kalten Schweiß hat sie dabei nicht bemerkt.
Bei ihr ist eine arterielle Hypertonie bekannt, die mit Ramipril eingestellt ist. Die Hausärztin berichtet, dass bis auf eine schnelle Herzfrequenz von 150/min bei ihrer Untersuchung keine Auffälligkeiten gewesen wären und überreicht ihnen das 12-Kanal-EKG:
Hf: 140/min, QRS: 93 ms
Kommen wir nun zur Auflösung:
In den Extremitäten-Ableitungen sieht es so aus, als ob ST-Strecken-Hebungen in II, III und aVF vorliegen. Also ein STEMI? Schauen wir uns erst einmal den Rhythmus an und kommen anschließend nochmal dazu.
Auf den ersten Blick sind in diesem EKG keine normalen P-Wellen abgrenzbar. Die QRS-Komplexe sind schmal und regelmäßig und haben eine Frequenz von ca. 140/min.
Es handelt sich also um eine um eine regelmäßige Schmalkomplextachykardie.
Dafür kommen drei wichtige Differenzialdiagnosen in Betracht:
Sinustachykardie
Vorhofflattern mit 2:1 Überleitung
AV-Knoten Tachykardie
Eine Sinustachykardie würde regelmäßige P-Wellen vor jedem QRS-Komplex vorweisen. Eine AVNRT oder AVRT kann mit retrograden P-Wellen einhergehen oder diese sind komplett im QRS-Komplex versteckt. Ein Vorhofflattern hat typischerweise ein Sägezahnmuster, welches durch die hohe Frequenz der Vorhofferregung entsteht.
Wie schon in vorherigen Fällen beschrieben, sind die P-Wellen häufig in V1 und Ableitung II am deutlichsten erkennbar. In diesem EKG sind die Ableitungen II und III wegweisend.
Dort sind viele positive Ausschläge zu erkennen und es ist schwierig P- und T-Welle auseinander zu halten. Bei genauem hinsehen ist zu erkennen, dass diese Ausschläge eine bestimmte regelmäßigkeit aufweisen.
Ich habe das ganze hier mal farblich hervorgehoben:
Die Ausschläge sind tatsächlich P-Wellen und haben eine Frequenz von ca. 260/min. Jede zweite wird auf die Kammer übergeleitet und erzeugt einen QRS-Komplex. Diese Frequenz ist zu hoch für den Sinusknoten. Es handelt sich hierbei um ein Vorhofflattern, welches meistens eine Frequenz zwischen 250-350/min hat.
Durch die P-Wellen, welche in den QRS-Komplex einfallen, entsteht die Illusion, dass es sich um Hebungen handelt.
Die Patientin war zu jeder Zeit unter der Rhythmusstörung stabil.
Die Diagnose wurde in der Klinik bestätigt und die Patientin elektrisch kardiovertiert und weiterbehandelt.
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